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7. Die Edition

7.1. Form der Edition

Die Edition der lateinischen Vorlesungs-Nachschriften hat zum Ziel, ihren Text allgemein zugänglich zu machen, d. h. ihn in Transkription übersichtlich und geordnet darzustellen, ihm eine Form zu geben, die es erlaubt, problemlos mit ihm zu arbeiten. Dazu gilt es zunächst festzustellen, welcher Art das vorliegende Material ist, was es zu bieten hat und welchen Ansprüchen man demnach gerecht werden muss.

Es handelt sich bei dem Text, das wurde schon mehrfach gesagt, um einzelne Anmerkungen zu einer Rede Ciceros, die dazu gedacht waren, den damaligen Studenten das Verständnis dieser Rede zu erleichtern und ihren Horizont zu erweitern. Zwei Dinge prägen diesen Text:

  1. Er ist kein literarischer Text und musste daher keinerlei ästhetischen Ansprüchen genügen. Zentral ist demnach nicht seine Gestaltung, sondern die in ihm enthaltenen Informationen.

  2. Der Urtext war ein mündlicher Vortrag. Der Text in den Nachschriften entstand nach Diktat im Vorlesungssaal und stellt lediglich eine von den Annotatoren getroffene Auswahl dar.

In diesen beiden Feststellungen deutet sich bereits an, dass man mit einer kritischen Edition dem Text nicht gerecht würde. Der Urtext kann nicht rekonstruiert werden, denn trotz der großen Anzahl an Nachschriften ist seine Vollständigkeit nicht garantiert. Zudem ist in vielen Nachschriften Sondergut vorhanden, das sich dennoch nicht immer einwandfrei als solches identifizieren lässt. Formale Kritierien1, welche die Wiederherstellung des Textes erleichtern könnten, gibt es nicht.

Selbst ein Vorlesungsskript, sollte überhaupt eines existiert haben,2 kann dabei nicht weiterhelfen. Sicher wäre es interessant, ein solches Skript mit dem, was den Hörern der Vorlesung tatsächlich diktiert wurde bzw. was sie davon aufschrieben, zu vergleichen3, aber eine Untersuchung dieser Art kommt hier nicht in Frage.

In diesem Fall wird der Versuch, einen Text wiederherzustellen, von dem alle anderen – d. h. die uns erhaltenen Vorlesungs-Nachschriften – abhängen, ohnehin diesen Nachschriften nicht gerecht, weil ihnen damit die Originalität abgesprochen würde. Dabei brachte jeder Annotator spezielle Voraussetzungen mit, von denen der Zustand seiner Nachschrift geprägt werden musste. Vorbildung, Interessenlage, Schreibgeschwindigkeit und persönliche Zielsetzung z. B. – ganz zu schweigen von äußeren Einflüssen4 – dürften letztlich die Konstitution des Textes, wie er uns überliefert ist, maßgeblich beeinflusst haben. Zudem ist das, was man in den Nachschriften an Sondergut findet, recht interessant. Viele Exemplare zeigen deutlich Spuren einer Nachbearbeitung, was sie noch einzigartiger macht.

Dem Umstand, dass uns in den Nachschriften verschiedene Vorlesungen5 vorliegen, zwischen denen zwar feine Unterschiede bestehen, die sich aber letztlich doch stark ähneln, sollte man auch Rechnung tragen, immerhin war das ein Grund für die Auswahl gerade dieser Rede.6

Es scheint folglich geraten, alle vorliegenden Texte als Originale und als gleichberechtigt zu betrachten. Die Texte einzeln herauszugeben wäre allerdings wenig nutzbringend. Was damals gelehrt wurde, ließe sich zwar auch aus der Betrachtung eines einzigen Exemplars sehr gut erkennen, aber interessant ist doch vielmehr der Vergleich zwischen den verschiedenen Exemplaren, weil an Stellen, wo die Versionen voneinander abweichen, bestimmte Entscheidungen (manchmal auch Fehlentscheidungen) der Annotatoren sichtbar werden, man also sehen kann, wie sie die Informationen, die ihnen geboten wurden, aufnahmen und verarbeiteten und wie einzelne Personen unter Umständen über die Vorlesung hinaus mit dem Text umgingen. Man kann dann aus diesen Erkenntnissen Rückschlüsse ziehen auf den Lehrbetrieb, den Personenkreis der Vorlesungsbesucher und deren Kenntnisstand.

Es ist nicht leicht, die Nachschriften als zusammengehörig und doch als verschiedene Versionen eines Textes zu behandeln. Zum einen sollen in der Darstellung Gemeinsamkeiten, zum anderen auch die Unterschiede deutlich werden. Eine Edition, die das leisten soll, müsste einerseits alle Textvarianten (sofern vorhanden) übersichtlich erfassen und andererseits ebenso übersichtlich dokumentieren, welche Exemplare jeweils welche Varianten aufweisen. Eine tabellarische Darstellung gewährleistet das natürlich, allerdings besteht die Schwierigkeit, dass sie in gedruckter Form so viel Platz wegnähme, dass man allein für diese relativ kurze Vorlesung Pro Rege Deiotaro eine mehrbändige Edition vorsehen müsste, in der jeder Band mehrere hundert Seiten umfasst, wodurch sie äußerst unhandlich würde.

Daher habe ich mich dazu entschlossen, die Edition als Computeranwendung zu realisieren. Sie wird so nicht nur wesentlich handlicher, sondern in einigen Bereichen sogar übersichtlicher. Der Aufbau und die Funktionsweise werden im folgenden Abschnitt erläutert.

7.2. Arbeiten mit der Edition

Der folgende Abschnitt, der die Edition beschreiben soll, ist gleichzeitig eine Art Gebrauchsanweisung und weitgehend identisch mit dem Text des in der Edition enthaltenen Hilfedokuments. Einige Bilder sind hier zwar zur Verdeutlichung mit abgedruckt, es empfiehlt sich aber, die Edition parallel zu starten, vorzugsweise in einem eigenen Fenster.7

7.2.1. Systemvoraussetzungen

Die Anwendung ist aufgrund der verwendeten Technologien plattformunabhängig, d. h. sie läuft auf verschiedenen Betriebssystemen. Um sie benutzen zu können, benötigt man jedoch einen aktuellen Webbrowser, in dem JavaScript aktiviert ist. Wie man die entsprechenden Einstellungen vornimmt, kann man der Dokumentation seines Browsers entnehmen.

7.2.2. Aufbau und Funktionen

Die Bedienung ist weitgehend intuitiv. Die Arbeitsfläche der Anwendung besteht im wesentlichen aus zwei Bereichen: der Steuerleiste links, über die man verschiedene Lagensignaturen8 anwählen und bestimmte Funktionen aufrufen kann, und dem Registerkartenbereich, wo der Redentext, die Glossen und die Testimonien auf verschiedenen Registerkarten dargestellt sind, die sich über die Karteireiter einzeln anwählen lassen (Abb. 7.1).

Übersicht über die Benutzeroberfläche der Edition
Abb. 7.1: Übersicht über die Benutzeroberfläche der Edition

Die Registerkarte »Text« bietet den Text Zeile für Zeile so, wie er im Vorlesungsdruck von 1515 steht. Lediglich die Abbreviaturen sind aufgelöst. Angezeigt wird jeweils eine Textseite. Zur Erleichterung der Orientierung sind die Zeilen nummeriert. Bei im Text getrennten Wörtern wird, wenn man mit der Maus darüber verweilt, in einem sogenannten Tooltip, einem kleinen Textfeld, das vollständige Wort angezeigt.

Alle Glossen sind von dieser Registerkarte aus über Hyperlinks zugänglich: Dunkler hinterlegte Wörter oder Ausdrücke im Text sind solche, zu denen Interlinearglossen existieren. Diese lassen sich per Mausklick auf die entsprechenden Wörter einzeln in einem Pop-up anzeigen. Gleichzeitig springt im Hintergrund die Anzeige auf der Registerkarte »Interlinearglossen«, wo alle Interlinearglossen fortlaufend dargestellt sind, zur gewählten Glosse. Das Pop-up lässt sich verschieben. Dazu wird mit einem Mausklick (links) auf die entsprechende Schaltfläche (Schaltfläche 'Verschieben'; vgl. Abb. 7.2) der Verschiebe-Modus aktiviert; jetzt folgt das Element der Bewegung des Mauszeigers. Eine erneute Betätigung der linken Maustaste legt das Pop-up an der aktuellen Position ab. Die anderen beiden Schaltflächen schließen das Pop-up-Element (Schaltfläche 'Schließen'), bzw. aktiviert die mittlere Schaltfläche (Schaltfläche 'Pop-up schließen und zu Registerkarte Interlinearglossen wechseln') gleichzeitig die Registerkarte »Interlinearglossen«. Ein Klick auf ein glossiertes Wort auf der Registerkarte »Text« bei geöffnetem Pop-up ändert einfach dessen Inhalt. Die Interlinearglossen können, da sie auf einer eigenen Registerkarte untergebracht sind, natürlich auch unabhängig vom Text betrachtet werden.

Pop-up Interlinearglossen
Abb. 7.2: Pop-up für die Einzelanzeige der Interlinearglossen.

Hyperlinks zu den Marginalglossen befinden sich am linken Rand der Registerkarte »Text«. Sie rufen die Registerkarte »Marginalglossen« auf; dabei wird direkt die gewählte Glosse angezeigt. Da bei längeren Marginalglossen ein Vergleich zwischen den Versionen der einzelnen Exemplare schwierig werden kann, lässt sich der Zeilenumbruch für die Marginalglossen über zwei Schaltflächen in der Steuerleiste zentral ein- und ausschalten (Zeilenumbruch ein Zeilenumbruch aus). Weil bei deaktiviertem Zeilenumbruch der Marginalglossen die Siglen links natürlich verschwinden, wenn man den Bildausschnitt nach rechts verschiebt (d. h. nach rechts scrollt), werden sie hier zusätzlich als Tooltip mit einer kurzen Erklärung angezeigt, wenn der Mauszeiger über einer Glosse verweilt. In der Voreinstellung ist der Zeilenumbruch eingeschaltet.

Die Registerkarte »Testimonien« lässt sich über ihren Karteireiter zur Betrachtung anwählen. Man gelangt aber auch von der Glosse aus, in der die entsprechende Stelle erwähnt wird, ebenfalls per Hyperlink über die Schaltfläche »T« zur entsprechenden Textstelle, wie auch der umgekehrte Weg möglich ist: Auf der Registerkarte »Testimonien« befinden sich am Ende jedes Eintrags Schaltflächen, über die sich die zugehörige Interlinear- (»I«) bzw. Marginalglosse (»M«) aufrufen lässt.

Über die Schaltfläche »Lemmata« kann man ein Pop-up-Element aktivieren, in dem die Siglen aller Exemplare, in denen Lemmata auf der ausgewählten Seite vorhanden sind, aufgeführt werden. Bei Auswahl einer Sigle mit der Maus werden in dem Pop-up diese Lemmata für das entsprechende Exemplar aufgelistet. Das Pop-up-Element kann in gleicher Weise wie das für die Einzeldarstellung der Interlinearglossen verschoben werden.

Die handgeschriebenen Indizes der Exemplare G und Z schließlich sind als Phänomen so selten und individuell, dass es sinnvoller schien, sie nicht direkt in die Edition zu integrieren. Sie sind von dort zugänglich, werden aber in getrennten Dokumenten angezeigt. Zunächst öffnet sich bei Betätigen der Schaltfläche »Indizes« ein Auswahlfeld, bei Mausklick auf das gewünschte Exemplar schließlich ein neues Fenster, in dem der entsprechende Index angezeigt wird. Man kann beide Indizes per Formular nach Zeichenketten durchsuchen. Das Suchergebnis wird in einem rot umrahmten Feld rechts von den Wortlisten angezeigt.

Auf der Steuerleiste am linken Rand der Arbeitsfläche befindet sich ein Link zum Hilfedokument. Wird er angeklickt, öffnet sich dieses Dokument in einem neuen Fenster.

Ein Klick auf die Schaltfläche »Bilder« ruft ein Auswahlfeld im linken unteren Bereich der Arbeitsfläche auf. Hier kann dann ebenfalls per Mausklick das gewünschte Exemplar ausgewählt werden, dessen Digitalisat man betrachten möchte. Zumeist gelangt man auf eine externe Seite, die sich in einem neuen Fenster öffnet. Man muss dort jeweils die entsprechende Seite des Druckes gesondert auswählen. Ähnlich verhält es sich aber auch mit den Bildern der Exemplare, die über interne Links erreichbar sind. Hier muss man in dem neuen Fenster auf die gewünschte Lagensignatur klicken, damit das entsprechende Bild der Seite des gewählten Exemplars angezeigt werden kann.

Da der Druck von 1520 ein anderes Format hat als die Drucke von 1515 und 1518, sind die Angaben der Lagensignaturen in der Edition für dieses Exemplar natürlich nur bedingt brauchbar. Man kann daher über die Schaltfläche »Lagensignaturen 1515/18 – 1520« eine vergleichende Übersicht über die Lagensignaturen der Drucke aufrufen.

Über die Schaltfläche »Siglen« ist die Erklärung aller verwendeten Siglen erreichbar. Diese wird in einem Pop-up im rechten oberen Bereich der Arbeitsfläche angezeigt und lässt sich wieder schließen, indem man darauf klickt.

Eine vollständige Tastatursteuerung der Anwendung ist nicht möglich. Einige zunächst vorläufig eingebaute Funktion haben sich allerdings sehr bewährt und sind daher weiterhin verfügbar:

TasteAktion
TRegisterkarte »Text« aktivieren
IRegisterkarte »Interlinearglossen« aktivieren
MRegisterkarte »Marginalglossen« aktivieren
ZRegisterkarte »Testimonien« aktivieren
LPop-up für Lemmata anzeigen/verbergen
DAuswahlbox für Indizes anzeigen
WZeilenumbruch für Marginalglossen ein-/ausschalten
SErläuterung der Siglen anzeigen/verbergen
BBilderauswahl anzeigen/verbergen

Darüberhinaus stehen natürlich die Standardfunktionen des Browsers (wie etwa Textsuche und Zoom) zur Verfügung.

7.2.3. Darstellung der verschiedenen Informationen

Während die Darstellung des Textes sicher keiner weiteren Erklärung bedarf, ist eine Erläuterung der Darstellung der Interlinearglossen gewiss vonnöten. Für alle Glossen wird als erstes immer die Stelle im Vorlesungsdruck genannt, auf die sich die Glosse bezieht, und zwar, wie in Abschnitt 1.4 beschrieben, mit Zeilen- und Wortnummer und dem glossierten Wort bzw. der glossierten Phrase. Bei Interlinearglossen sind direkt darunter, in grauer Schrift und in eckige Klammern eingeschlossen, die Exemplare angegeben, in denen keine Glosse zur genannten Stelle vorhanden ist. Wenn alle Exemplare eine Glosse aufweisen, sind die eckigen Klammern leer. Wenn alle Exemplare eine Glosse aufweisen, sind die eckigen Klammern leer.

Darunter folgen tabellarisch die einzelnen Exemplare (linke Spalte) mit ihren Glossen (rechte Spalte). Die Siglen der Exemplare, deren Glossen übereinstimmen, werden einfach hintereinander bei derselben Glosse aufgeführt, was nicht nur Platz spart, sondern auch sofort Gemeinsamkeiten zwischen den Nachschriften erkennen lässt. Bei Gleichheit der Glosse wird hier also auf orthographische Varianten verzichtet.9 Die Glossen sind sowohl nach Häufigkeit sortiert als auch nach Ähnlichkeit, so dass oft räumliche Nähe in der tabellarischen Darstellung auch inhaltliche und formale Nähe bedeutet. Allerdings ist eine sinnvolle Sortierung in vielen Fällen nicht möglich gewesen.10

Die Referenzierung der Marginalglossen ist ebenso durchgeführt wie die der Interlinearglossen. Ihre Darstellung ist jedoch ein wenig anders gestaltet. Da sie oft größeren Umfangs sind, ergibt sich nur selten völlige Übereinstimmung zwischen Nachschriften. Das heißt, hier sind Glossen nie wie oben beschrieben zusammengefasst, sondern sie sind für jedes Exemplar einzeln aufgeführt, wobei sie nach den Siglen der Exemplare alphabetisch sortiert sind.

Manche Glossenteile (das betrifft alle Glossen) sind besonders markiert, um sie leichter auffindbar zu machen: Deutsche Glossen sind in einer Serifen-Schrift gesetzt und dunkelorange, Glossen in griechischer Schrift sind grün, von den Schreibern getilgte Wörter oder Buchstaben blau und zusätzlich durchgestrichen. Glossen zu derselben Stelle sind durch senkrechte Striche voneinander getrennt.

Wo Lücken in der Buchseite sind, Seitenränder beschnitten wurden, Glossen in der Bindung nicht zu lesen sind oder die Schrift so undeutlich ist, dass man sie nicht sicher deuten kann, ist dies jeweils durch bestimmte Zeichen signalisiert (die Erklärung gilt nur für die Verwendung der Zeichen in Glossen):

Zeichen Bedeutung
. nicht lesbarer Buchstabe
nicht lesbares Wort oder Zeichenfolge von mind. 3 Zeichen
[] mechanische Lücke (Loch in der Buchseite o. ä.)
principii[s] mechanische Lücke, in der der Buchstabe s gestanden hat
[...] unbekannte Zeichenfolge in mechanischer Lücke
< > Ergänzung (z. B. bei Flüchtigkeitsfehlern)
principii<s> in der Edition ergänzter Buchstabe s
? ungesicherte Lesart (kein inhaltlicher Bezug!); in Verbindung mit Auslassungspunkten: nicht lesbares Wort